Schlagwörter

,


Der besondere Hase


Eine Woche lang hatte es mildes und frühlingshaftes Wetter gegeben und nun dieser jähe Rückfall. Beinahe fühlte es sich wieder wie Winter an, fehlte noch, dass es schneite. Wo war nur die Wärme geblieben? Traurig hoppelte ein Häschen durch die nasse Wiese.
„Arme Narzissen!“, bedauerte er die hübschen gelben Blumen, die dort standen.
„Euch ist ja sicher noch viel kälter als mir. Ich habe wenigstens ein dickes Fell, aber ihr müsst zittern.“
„Ach was!“ Eine der Narzissen lachte hell auf und antwortete: „Wir sind doch sonnengelb und tragen die Wärme praktisch in uns. Schau nur, wie wir leuchten!“
Der Hase schaute und schnupperte und dann nickte er. „Stimmt, ihr leuchtet wunderbar und euer Duft ist einmalig. Nach Frühling riecht ihr und nach … Sonnenschein, ja, genau, nach Sonnenschein!“
„Oh, vielen Dank. Solche Komplimente machen uns glücklich!“, sagte die Narzisse, die scheinbar das Sprechen für alle übernommen hatte.
„Oh, sehr gern“, antwortete das Häschen. „Ich mache gern hübsche Blumen glücklich!“
„Und Eier, nicht wahr?“ fragte die Blume.
„Eier? Wieso das denn?“ Der kleine Hase war ratlos. Was hatte er denn mit Eiern zu tun?
„Na, du ziehst ihnen doch hübsche Kleider an, ist es nicht so?“ Plötzlich kicherten alle Narzissen, silberhell klang das. Der Hase fand das wunderschön.
„Ich bin doch kein Schneider, ihr Hübschen!“, lachte der Hase.
„Dann bist du vielleicht ein Maler?“, meinten die Narzissen und jetzt sprachen sie alle durcheinander.
„Oder ein Frisör?“ – „Oder gar ein Künstler?“
Der Hase lachte und lachte, er konnte sich gar nicht beruhigen. Er war doch nur ein einfacher Hase, was sonst? Oder?
„Ich bin nur ein einfacher Hase!“, sagte er deshalb ein wenig zögerlich, weil es ihm eigentlich gerade so gut gefiel, etwas Besonderes zu sein oder zu können.
„Im letzten Jahr war hier einer von deiner Sorte, der viele bunte, wunderhübsche Eier zwischen uns versteckt hat. Das war lustig und auch das hat uns glücklich gemacht. Man kann sagen: Hasen machen uns glücklich. Die einen verstecken bunte Eier und du machst uns liebevolle Komplimente!“, sagte die Narzisse, die schon ganz zu Anfang das Wort übernommen hatte.
Mit einem Mal mischte sich eine fremde Stimme ein. Es war die alte Eiche, die ganz in der Nähe stand.
„Ihr kleinen Dummies!“, sagte sie freundlich. „Habt ihr denn noch nie etwas vom Osterhasen gehört?“
Der kleine Hase schüttelte heftig den Kopf, so dass seine Ohren hin und her flogen und auch die Narzissen schüttelten ihre Glockenblüten. Ein silberhelles Klingeln ertönte, das war so wunderschön, dass alle, die auf dem Weg vorbeigingen stehen blieben.
„Guck mal!“, rief ein Kind. „Der Osterhase in der Narzissenwiese!“
Der kleine Hase atmete auf. „Ach, dann bin ich wohl ein Osterhase, gut, dass ich das endlich weiß!“, rief er den Narzissen zu, drehte ihnen sein Stummelschwänzchen zu und sauste davon wie der Blitz. Schließlich hatte er nun jede Menge zu tun, nicht wahr?

© Regina Meier zu Verl