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Ordnung im Tulpenbeet


„Schöner wäre es noch, wenn die Tulpen nicht wie die Soldaten nebeneinander ständen“, sagte Marlene Huber zu ihrem Mann. Eigentlich hatte sie sich über die prächtigen Tulpen gefreut, die da in einer Reihe standen, weil ihr Mann sie so gesetzt hatte.
„Alles muss seine Ordnung haben!“, sagte Robert voller Überzeugung. Dabei setzte er seine Oberlehrerstimme ein.
Marlene seufzte. Ordnung war ihr nicht wichtig. Sie mochte es nicht, wenn sich alles im Leben der Ordnung unterordnete. Schon gar nicht in der Natur und schon dreimal nicht in ihrem Garten.
„Findest du nicht, dass sie etwas langweilig aussehen?“, fragte sie vorsichtig.
„Nein, das finde ich nicht, absolut nicht!“ Robert ging ein paar Schritte weiter und nahm das nächste Beet in Augenschein.
„Das hier“, sagte er, „scheint eines von deinen Werken zu sein!“
„Ja, hübsch, nicht?“ Ein Lächeln überzog Marlenes Gesicht, als sie vor dem bunten Frühlingsblumenbeet in die Knie ging und verzückt an den Blütenkelchen schnupperte.
„Für jede Nase, jede Biene, jeden Schmetterling ist hier etwas dabei. Blümchen und Kräuter, rote, gelbe, lilafarbene, blaue. Einfach schön.“
„Ja, schön, aber unzweckmäßig. Ich möchte dich aber nicht kritisieren. Wir haben genügend Platz im Garten und jeder darf sein Beet nach seiner Façon gestalten, nicht wahr?“ Robert seufzte. Marlene grinste. ‚Wie ein kleiner Junge‘, dachte sie.
„Zweckmäßig! Was ist schon zweckmäßig, vor allem in der Natur“, meinte sie leichthin. „Oder hast du schon einmal eine Ordnung im Wald gesehen, auf Wiesen, Feldern?“
„Ja. Auf Feldern unbedingt. Da muss Ordnung herrschen. Schließlich geht es dort um etwas Wichtiges: Unsere Nahrung!“
„Ich gebe dir recht, aber ein bisschen muss ich doch widersprechen“, setzte Marlene an, wurde aber sofort unterbrochen.
„Das ist nicht logisch, meine Liebe. Gibst du mir recht oder nicht? Ein bisschen geht nicht, entweder oder!“, schimpfte Robert.
Marlene spürte, wie so etwas wie Wut in ihrem Magen zu kribbeln beginnt. Robert konnte ganz schön pedantisch sein und das passte so gar nicht zu ihr. War er schon immer so gewesen? Sie konnte sich nicht erinnern … ein bisschen machte ihr diese Entdeckung auch Angst.
„Ich wollte gerade sagen, dass unsere Nahrung wichtig ist, so wie du sagst, aber Blumen sind Seelennahrung und eben auch wichtig. Aber es macht mir gerade keinen Spaß, mit dir zu streiten!“ Marlene wendete sich ab und ging zum Haus zurück. Sie ärgerte sich. Aber traurig war sie auch. Sie wollten doch den Tag genießen. In letzter Zeit hatten sie dafür so wenig Muße gefunden, und nun das. Sollten sie die kostbare freie Zeit mit schlechter Laune und Unstimmigkeiten verbringen?
„Nun warte doch, Marlene. Ich habe es doch gar nicht so gemeint“, rief Robert ihr nach. Marlene tat, als habe sie seine Worte nicht gehört. Ein Blick auf die Küchenuhr sagte ihr, dass nun Zeit für den Fünfuhrtee war. Darauf konnte und mochte sie niemals verzichten, er gehörte einfach zu ihrem Tag, immer! Marlene schluckte und versuchte das Kribbeln in ihrem Hals zu unterdrücken, aber es ging nicht. Sie lachte laut los, laut und immer lauter. So lange, bis Robert in der Küche angelangt war und sie fragend anschaute.
„Was ist?“, fragte er.
„Ach Schatz, wir haben beide so unsere Macken, stimmts?“, sagte Marlene und sah ihren Robert nun wieder liebevoller an.
„Ein bisschen muss ich dir da widersprechen“, sagte Robert und dann lachte er auch los.

© Regina Meier zu Verl

„Fünf Uhr Tee bei Marlene und Robert“ Photo by Mareefe on Pexels.com