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2017-09-09 14.55.33

Bockermänner

Kennst du das? Du hast ein Paar Lieblingssocken und glaubst, dass du ohne diese Socken nicht leben kannst. Deine Oma hat sie gestrickt, mit viel Liebe und Mühe. Dann passiert folgendes: du hast Kartoffeln reingepflanzt! Kennst du nicht? So sagen wir bei uns, wenn sich die große Zehe, oder gleich beide, durch die Spitze den Weg nach draußen verschaffen und vorwitzig ins Freie schauen. Natürlich ziehst du diese Socken an, solange das Loch noch klein genug ist. Du denkst drüber nach, ob es im Laufe des Tages passieren könnte, dass du die Schuhe ausziehen musst. Zum Beispiel beim Arzt. Dann geht das natürlich nicht. Nichts ist peinlicher, als Löcher in den Socken zu haben. Gut, es gibt noch Peinlicheres, aber die Lochsocken sind schon in Kategorie Eins der Dinge, die man vermeiden sollte.

Irgendwann stellst du entsetzt fest, dass der große Bockermann sich völlig durchgekämpft hat.  Dann ist die Zeit gekommen, etwas zu unternehmen. Wenn man nicht stopfen kann, hilft es eine Weile, eine dünne Socke drunter zu ziehen. Aber das ist keine Dauerlösung.

Du bewaffnest dich also mit Stopfnadel und Garn und wagst den ersten Stopfversuch. Wie hat Oma das gemacht? Ach, wenn man sie doch fragen könnte.

So schwer kann es aber nicht sein. Einmal den Vorgang in Gedanken durchgespielt, dann geht es los. Zuerst schaffst du ein Gitter, dafür wird Faden neben Faden über das Loch gespannt. Der zweite Schritt folgt sogleich, in der anderen Richtung wird dann die Wolle durch das Gitter gewebt, oben – unten – oben – unten und so weiter. Wie ein feiner Stoff spannt sich das Gewebte über das gerade noch klaffende Loch und schon ist der Schaden behoben. War doch ganz leicht und der Bockermann hat nun keine Chance mehr. Lieblingssocke gerettet!

Oma wäre stolz, sehr stolz. In Gedanken höre ich ihre Stimme:

„Und als nächstes lernen wir das Sockenstricken, nicht wahr?“

Ich nicke zur Bestätigung und schreibe in mein Tagebuch: Socken gestopft, hat Spaß gemacht. Morgen kaufe ich Wolle und ein Nadelspiel.

 

© Regina Meier zu Verl